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Markus -der Emallierer
Sollte ich nicht gerade in meiner Werkstatt arbeiten oder an einem neuen Buch schreiben etc., dann ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass ich gerade als spätrömischer Foederat in einer altsächsischen Ausstattung um 400 n. Chr. unterwegs bin. Entweder sichere ich mit anderen germanischen Verbündeten die zunehmend unter Druck geratenden Reichsgrenzen des schwächelnden Imperiums oder plane gerade die Landnahme Britanniens. Andererseits waren die "Saxones" keineswegs nur Söldner und Piraten, sondern auch Künstler und Handwerker. Laßt uns also auf eine kleine Zeitreise gehen und sehen, wie man vor 1500 Jahren Schmuck und andere Gegenstände aus Bronze herstellte. Bronze oder das was man allgemein darunter versteht wird schon seit tausenden von Jahren hergestellt. Doch bevor wir Bronze gießen können, benötigen wir dazu die erforderlichen Zutaten. Diese finden wir, wenn wir einen Blick auf unser Rezept riskieren:
Bronze ist eine Legierung; also ein Stoffgemisch aus unterschiedlichen Metallen. Vereinfachend gesagt, kann man Bronze herstellen indem man Kupfer und Zinn unter Temperatureinwirkung in einen geschmolzenen Zustand bringt und mischt. Bronzen besitzen im Hauptanteil immer Kupfer; davon bis zu über 90%. Der zweite Anteil (es können auch mehr sein) ist Zinn; verwendet man Zink, so erhält man ein Messing. In der antiken Welt wurde das eine wie das andere verwendet und selbst heute sind Archäologen und Historiker oft großzügig in der Unterscheidung und Einordnung. Wichtig sind diese Beimengungen (auch Arsen und Blei waren üblich), weil sie die Eigenschaften während der Herstellung und Nachbearbeitung stark beeinflussen können. Zum Beispiel erhöhen sie die Gießbarkeit, senken den Schmelzpunkt, steigern die Härte oder erleichtern späteres Bohren, Feilen und Schleifen. Wo finden wir nun unsere Zutaten in der "Alten Welt"? Werfen wir also einen Blick auf eine antike Weltkarte des Imperium Romanum. Kupfer finden wir in der Provinz Hispania (Spanien), in der Nähe Roms und auf der Insel Zypern, die dem Kupfer sogar ihren Namen verdankt. Zinn wurde in Corwall auf der Insel Britannia (England), in Hispania und auf der Insel Sardinia abgebaut. Die oft im unterirdischen Bergbau abgebauten Erze wurden verhüttet und in Barrenform europaweit, zumeist als Seetransport, gehandelt. Damit waren sie häufig eine Quelle des Reichtums einer Region oder doch wenigstens der Zwischenhändler. Irgendwie jedenfalls gelangten sie schließlich in die Werkstatt eines Bronzegießers, der nicht selten auch gleichzeitig als Gold und Silberschmied seine Produkte weiterbearbeitete, kombinierte und veredelte. Aber, lasst uns nicht abschweifen, denn das ist schon wieder ein anderes Kapitel. Nun haben wir also ein Stück Kupfer und ein kleineres aus Zinn aber noch lange keine Bronze. Irgendwas fehlt… Richtig! Feuer, besser noch -grosse Hitze. Also entzünde wir in einer Erdgrube oder eigens dafür gebauten Feuerstelle ein ordentliches Feuer. Als Brennmaterial eignet sich zum Entzünden trockenes Holz und später dann nehmen wir Holzkohle. Doch um Kupfer zu schmelzen benötigen wir um 1200°C; das kriegen wir mit einem einfachen Feuer gar nicht hin. Clever wie wir sind und lange vor uns die "Alten" es schon waren, bedienen wir uns eines ganz legalen Tricks: Wir blasen Luft hinein. Luft enthält Sauerstoff, und den braucht das Feuer um wirklich heiß brennen zu können. Schon die antiken Griechen verwendeten dazu lange Blasrohre aber ein Blasebalg aus Leder und Holz ist doch wesentlich komfortabler. Über Tonrohre und Düsen wird so kontinuierlich ein starker Luftstrom ins Feuer geblasen, der uns die erforderlichen Temperaturen beschert. Nun könnten wir unsere Zutaten hineinwerfen, sie würden wohl auch schmelzen aber davon hätten wir dann nichts. Also legen wir sie in ein Gefäß, einen so genannten Tiegel aus gebranntem Ton. Einen Tiegel herzustellen, der solche Hitze und Temperaturschwankungen aushält ist eine Kunst, und er wäre nicht der erste, der sich im Feuer entschließt, wieder in seine Bestandteile zu zerfallen. Also legen wir das Kupfer in den Tiegel und stellen das Ganze in die Glut, entfachen ein mächtiges Feuer und warten. Während wir warten (und es kann wirklich eine Weile dauern) überlegen wir uns schon mal, was mit der geschmolzenen Bronze werden soll. Um überhaupt ein Halbfabrikat oder einen Rohling zu erhalten, brauchen wir eine Form in die wir unsere Legierung hineingießen können. Vor langer Zeit verwendete man Formen aus Speckstein, Schiefer, gebranntem Ton oder einfach nur aus feuchtem Sand. So wurden einteilige offene, zweiteilige oder Formen als Ummantelung fabriziert, die mehrfach oder nur einmal verwendet werden konnten. Allein die Fertigung solcher Formen und der erforderlichen Modelle dazu war und ist ein zeitaufwendiges Unterfangen, welches große Anforderungen an den Hersteller birgt. Mittlerweile ist unser Stück Kupfer geschmolzen und die Oberfläche der Schmelze glänzt wie ein Spiegel. Jetzt ist die Zeit für den eigentlichen Prozess des Legierens gekommen. Wir nehmen das kleine Stück Zinn und werfen es in die Schmelze, wo es sich auch sofort aufgrund des viel geringeren Schmelzpunktes auflöst und mit dem Kupfer mischt. Was nun im Tiegel glänzt ist endlich - unsere Bronze! Mit einer Zange greifen wir uns nun den Tiegel und gießen den Inhalt rasch in die mit Gusstrichter und Luftkanälen vorbereitete ggf. vorgewärmte Form. Wir füllen die Form bis zum Rand, da das Metall während des Abkühlens schrumpft und so vom Gusstrichter her fehlendes Material nachgezogen werden kann. Der leere Tiegel wird nun neu mit Kupfer oder schon legierter Bronze bestückt und wieder ins Feuer gestellt, wo er auf einen weiteren Einsatz wartet. Nach einiger Zeit haben sich Form und Inhalt so weit abgekühlt, dass wir sie öffnen können. Der Rohling, sei es nun Fibel, Gürtelschnalle oder Beschlag, muss nun noch von Gusstrichter, Graten und Verunreinigungen befreit werden. Danach kann die Oberfläche weiter bearbeitet werden d.h. poliert, Muster und Ornamente nachgeschnitten, eingefeilt oder punziert, tremoliert aber auch das Objekt feuervergoldet werden. Ösen wurden gebohrt, Nadeln und Haken gehämmert oder geschmiedet, Spiralen gewickelt und Befestigungsmöglichkeiten angebracht. Wenn sie fertig sind, zieren sie prächtig einen Gürtel oder schließen einen Mantel kunstvoll auf der Schulter. Es sind neben Tonscherben auch genau diese kleinen, modischen Accessoires, die es uns heute gestatten, einen Haufen Knochen oder die Asche in einer Urne einem ganz bestimmten Zeitabschnitt weit in der Vergangenheit zuzuordnen und eine Aussage über das persönliche Leben des betreffenden Menschen ermöglichen
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